Archiv – 2017

Ein Spiel das vieles falsch und doch alles richtig macht: Physikerball 2017 beweist, dass sich auch mit fehlerhafter Physik-Engine und unglaubwürdigen Charakteren ein fesselndes Spiel konstruieren lässt.

Die letzten Jahre haben der Computerspielszene eine Vielzahl an Games beschert, die sich in puncto Komplexität und Bedeutungsschwere der Story überbieten. Der neu erschienene Genrekracher Physikerball 2017 geht einen anderen Weg: Statt auf Tiefgang und künstlerischen Anspruch setzt er auf eine ultrarealistische Grafik, allround-immersion und explizite Gewaltdarstellung. Dieser revolutionäre Ansatz macht den Actiontitel zum Spielehighlight des Jahres und knüpft so an den gewaltigen Erfolg an, den das Entwicklerstudio zuletzt mit Physikerball 2016 feiern konnte.

Dabei ist die Prämisse wenig innovativ: Ziel des Spiels ist es, demselben zu entkommen. Dazu schlüpfen wir in die Rolle einer Handvoll durchgeknallter Physikstudenten, die durch Zufall herausfinden, dass ihre Welt nicht real ist und nun versuchen, daraus zu fliehen. Anstelle vielschichtiger Charakterstudien setzt Physikerball 2017 jedoch auf Schablonen, die kein Physikerklischee auslassen. So ist eine Identifikation mit den Protagonisten bis zuletzt nur schwer möglich. Und nicht nur die Figuren bleiben unglaubwürdig: Die Kulisse – der Universitätsalltag in einer verschlafenen Kleinstadt – ist bis ins Abstruse überzeichnet; beim irren durch ein kafkaeskes Gebäudelabyrinth oder beim Kampf gegen die übermächtige Studiensoftware Friedolin beschleicht uns das Gefühl, dass diese unmotivierten aber übermäßig schwierigen Minispiele nur zum Selbstzweck existieren. Ein zusätzlicher Frustfaktor sind die Bugs, von denen es in dem Spiel nur so wimmelt und denen nur unter Zuhilfenahme von Cheats beizukommen ist. Dies liegt auch teils an der völlig veralteten Physik-Engine, auf der die Welt basiert – für ein High-Budget-Spiel, das an einer Physikfakultät spielt, hätten wir uns diesbezüglich doch etwas mehr Sorgfalt gewünscht.

Das alles wäre ein schwerwiegendes Manko, gäbe es da nicht etwas, das all diese Kritikpunkte in den Hintergrund rückt: Die unglaubliche Grafik setzt in Puncto Immersion und Detailgetreue neue Genremaßstäbe. So entsteht noch im unrealistischsten Leveldesign und schwache Figuren das Gefühl, ein Teil des Spiels zu sein. Dies erzeugt nicht nur teils nervenzerreißende Spannung, sondern auch einen hohen Wiederspielwert. Letzter wird noch verstärkt durch das großartige Kampfsystem: Dieses ermöglicht eine noch nie gesehene Vielzahl an Angriffen und Kombos, so dass erfahrene Spieler ihren eigenen Kampfstil entwickeln können. Die Gewaltszenen sind dabei ungemein graphisch, und so ist Physikerball 2017 nichts für schwache Nerven. Level wie Seminar Room 1 Leek Massacre schlagen selbst erfahrenen Spielern schwer auf den Magen und lassen uns eine höhere FSK Einstufung sowie – in Anbetracht der oft kaum besiegbaren Gegner – mehr Speicherstände wünschen!

Zwar ist das Konzept von Physikerball 2017 alles andere als neu und Story wie Charaktere unglaubwürdig. Die revolutionäre Grafik lässt uns jedoch all das vergessen und trotz aller Schwächen in die Welt und die Handlung eintauchen wie in kaum einem anderen Game. Der Spieler fiebert bis zum großen Cliffhanger am Ende der Episode mit. Daher erwarten wir mit Spannung das Release des finalen – und hoffentlich etwas weniger verbuggten – Kapitels am 11. Mai 2017. Wer wie wir den Ladenverkauf der stark gekürzten Fassung nicht abwarten will, kann auf www.physikerball.de bereits Tickets für die Erstveröffentlichung der Uncut-Version im Volkshaus Jena vorbestellen.

Stimmen zum Spiel:

Physikerball 2017 hat das Zeug das Spiel des Jahres zu werden“ – Gamespar

Das ist mir zu Meta!“ – Honkh